Grabsteine

Second Hand vom Friedhof

Ein Stein hält ewig und ein Grabstein symbolisiert Erinnerung für Immer. Die meisten aber werden nach wenigen Jahrzehnten schon wieder ausrangiert. Sie zu recyclen ist nicht ganz einfach, aber es gibt Möglichkeiten

„Der lieben Mutter“, „unvergessen“, „Ruhe sanft“, solche Inschriften und manchmal auch noch Namen und Daten sind zu erkennen auf den Brocken aus wuchtigem Granit und glattpoliertem Marmor. Was als ewige Erinnerung gedacht war, liegt auf vielen Friedhöfen haufenweise herum, oft abseits, da wo sich auch der Kompost versteckt: Grabsteine, die Ruhefrist abgelaufen, ausrangiert, kaputt. Die allerschlechteste Variante, mit den alten Schätzen umzugehen, ist das nicht, aus Sicht der Natur zumindest. Gerade für Moose und Flechten und viele kleine Krabbeltierchen, die wiederum von Moosen und Flechten leben, sind Grabsteine ein wichtiger Lebensraum. Ihnen ist es egal, ob der Stein würdevoll auf der Grabstelle trohnt oder hier auf Halde liegt. Genau wie den Eidechsen, die sich sonnen oder den Vögeln, die hier nach Insekten picken und ihr Revier beträllern.

Mehr zum Lebensraum Grabstein und zum Lebensraum Friedhof in meinem Buch „Der Friedhof lebt“

Aber der menschlichen Empfindsamkeit geht der Anblick eines solchen Haufens kaputter Erinnerungen ans Herz.

Andererseits:  Wer selber vor der Frage steht, wohin mit dem Stein auf Opas Grab, wenn die Ruhefrist abgelaufen ist, hat Interesse an einer einfachen Antwort.  Die preiswerteste Lösung ist es, der Friedhofsverwaltung die Auflösung der Grabstätte mitsamt dem Grabstein zu überlassen. Für eine kleine Gebühr kümmert man sich dann dort um die Entsorgung des Grabes und man selber ist die Aufgabe los. Oft werden die Grabsteine dann aber einfach eben auf Halde gelegt, irgendwann geschreddert und zum Beispiel zu Autobahnschotter.

Aber man kann den Grabstein ja schlecht einfach mit nach Hause nehmen.

Doch, man kann. Rein rechtlich gehört der Stein demjenigen, der ihn bezahlt hat; oder seinen Erben. Hat man Platz im Garten, dann braucht man lediglich jemanden, der beim Transport des oft mehrere hundert Kilo schweren Steins hilft und ihn an Ort und Stelle aufstellt. Ob man die dann als persönlichen Gedenkort einrichtet, ist Geschmackssache. Steine, die Engelsfiguren oder ähnliches enthalten, sind schön bepflanzt auch einfach eine tolle Gartendekoration.

Auf ebay und ähnlichen Plattformen werden auch immer wieder alte Grabsteine genau dafür angeboten. Auch weiterverkaufen kann man einen Grabstein also. Oder wieder nutzen.

Second Hand ist allerdings nicht so einfach und so lohnend wie beim Kleiderkreiseln oder einer Gebrauchtwagenbörse. Ein gebrauchter Grabstein ist am Ende selten günstiger als ein Neuer. Denn ein Steinmetz muss nicht nur die neue Inschrift meißeln, sondern auch noch die alte entfernen – doppelte Arbeit, doppeltes Geld. Die Friedhofssatzungen schreiben oft eine Mindestdicke für den Stein vor, damit er stabil steht, lautet die Begründung. Durch das Abschleifen der Inschrift kann der Stein zu dünn werden, und wäre dann nicht mehr als Grabstein erlaubt. Noch eine Schwierigkeit beim Second-Hand-Grabstein: Viele Friedhöfe erlauben nur zertifiziert kinderarbeitsfreie Steine – eigentlich eine positive Entwicklung. Da viele der alten Grabsteine damals noch kein Zertifikat hatten, weil es keins gab, und auch jetzt keins mehr bekommen, darf der Stein nicht wieder auf den Friedhof – selbst wenn er dort bereits stand oder aus Naturstein aus der Region stammt.

Fazit: Einheitlich geregelt ist die würdige Weiterverwendung dieser besonderen Steine nicht.  Je nach Friedhof macht die Verwaltung eigene Angebote: Manchmal werden die alten Steine entlang der Mauer aufgereiht, das ist praktisch und sehr pietätsvoll. Andere Friedhöfe sammeln die Grabsteine in einem als Museum bezeichneten Areal, hübsch neu zusammengestellt. Andere machen einfach Haufen, siehe oben. Das müssen Angehörige meist jeweils erfragen.

Für Grabstellen, die einen kulturhistorischen Wert haben, berühmten Personen gehörten oder die Denkmäler sind, gibt es dagegen deutlich mehr Konzepte.

Eine Zeitlang war es Mode, große Figuren aufzustellen oder gar Mausoleen zu bauen. Gerade diese kleinen Häuschen sind nicht nur historisch von Wert, sondern auch begehrt bei allen möglichen Tieren, die gerne in Höhlen und Felsen leben, brüten, überwintern: Käuzchen, Marder, Mäuse, Hornissen und Hummeln und natürlich Fledermäuse. Auch das ist ein guter Grund, sich um den Erhalt dieser alten Grabstellen zu kümmern.

Auf größeren Friedhöfen prägen diese teils pompösen und fantasievollen Grabstellen den Wiedererkennungswert, oft betrifft es hunderte bis tausende Grabstellen. Stadtverwaltungen und Denkmalämter haben sich deshalb Konzepte überlegt, die alte Pracht zu erhalten. Unter anderem vergeben sie an Interessierte Patenschaften für all die Steinskulpturen, geschmiedeten Ornamente und Mausoleen.

Manche Friedhöfe nehmen zum Beispiel eine generelle Patenschaftsgebühr von 25 oder 100 Euro, einmalig, und finanzieren damit nötige Restaurierungen für alle besonderen Gräber aus diesem Topf. Andere haben einen Freiwilligenverein, in dem die Paten dann unterstützt durch Gärtner und Steinmetze ganz praktisch die alten Grabanlagen wieder ansehnlich herrichten. Und manchmal ist man als Pate auch zuständig dafür denkmalgerechte Reparaturen zu organisieren und zu bezahlten. Je nach Größe und Zustand der Grabstelle können da dann tausend Euro und mehr zusammen kommen.  

Ein weiteres Modell ist es, Patinnen und Paten nicht nur die Verantwortung und die Kosten für die Grabstelle zu übergeben, sondern auch das Nutzungsrecht. Sie können sich, dann irgendwann, repräsentativ zu Füßen von Engeln, Adlern, Löwen oder stilisierten Tempelsäulen bestatten lassen, mit schmiedeeisernem Gitter drumherum und uraltem Efeubewuchs. Den neu Beerdigten wird mit einer kleinen Plakette gedacht.

Nicht alle aufgelassenen Grabstätten stehen allerdings unter Denkmalschutz und auf etwaigen Patenschaftslisten der Verwaltung. Wem ein schöner alter Stein einfach gefällt, sollte bei der zuständigen Verwaltung nachfragen, ob und wie auch dafür eine Patenschaft möglich ist. Nachfragen muss man, wie gesagt, so oder so. Denn auch  Patenschaften sind nicht einheitlich geregelt, jede Gemeinde, jede Stadtverwaltung hat eigene Zuständigkeiten, Abläufe und Ansprechpersonen. Und auch wenn die Antwort lauten sollte „Nein, wir haben kein Patenschaftsmodell und auch kein Grabsteinmuseum“, vielleicht haben Sie mit Ihrer Frage das Interesse am Thema geweckt. Und den entscheidenden Anstoß geliefert, dass es auch im eigenen Heimatort bald ein Second-Hand-Konzept gibt, für einen würdigen Umgang mit den wertvollen Erinnerungssteinen.

Zum Download: Ökologische UND spirituelle Grabbepflanzung

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