Gehüpft und Gesprungen

Früher galten sie als eine der biblischen Plagen, heute sind sie durchaus beliebte Insekten und sogar sehr selten geworden: Die Heuschrecken. Oder Heupferdchen. Grillen, Grashüpfer … was ist da eigentlich wer? Und wie kann man ihnen allen etwas Gutes tun?

Heuschrecken kommen in unserem Sprachgebrauch nicht gut weg. Wir benutzen sie als Metapher für pubertierende Kinder, die hungrig wie Heuschrecken einen ganzen Kuchen auf ein Mal vertilgen; oder bezeichnen so rücksichtslose Finanzinvestoren, die Unternehmen aufkaufen und plündern. Hintergrund ist die Historie: Heuschrecken in Scharen und Schwärmen haben in früheren Zeiten auch bei uns Felder leer gefressen. Solche Tierplagen erklärte man sich früher, wie das Wetter oder Naturkatastrophen wie Erdbeben und Überschwemmungen, mit göttlichem Willen. Heuschrecken sind im Alten Testament eine beliebte Strafe für die Menschen. Außerdem wusste man wenig über Insekten. Sie galten als Teufelsgetier und nicht als Gottes Schöpfung, und man dachte, dass sie wie aus dem Nichts und aus Exkrementen oder aus Leichen entstehen. Umso apokalyptischer die Angst, wenn Wanderheuschrecken dann tatsächlich in Scharen auftauchten – die Chemtrails des Mittelalters.

Damals war es in einzelnen Jahren in Mitteleuropa überdurchschnittlich warm und diese Heuschrecken schafften es aus den südlichen Gefilden auch bis hierher. Der Himmel verdunkelte sich, ein Schwirren war in der Luft und wenn die Tiere gelandet waren, hörte man nur noch das Fressen. Wiesen und Felder wurden von ihnen wie systematisch abgeerntet und das zur Gänze. War die Ernte schon eingefahren, fraßen die Tiere auch zum Teil die Scheunen leer. Allerdings wurde es dann doch nach jedem Sommer wieder herbstlich kühl und feucht und die Heuschreckenscharen starben, ihr Nachwuchs überlebte den Winter nicht. Im Nahen Osten oder in afrikanischen Ländern haben Heuschrecken auch heute noch biblische Ausmaße und gehören zum Unbill der Landwirtschaft dazu wie das Wetters.

Hierzulande und heutzutage sind die Tierchen selten geworen und wenn wir in unserem Garten einen der grünen oder braunen „Flips“ treffen, freuen wir uns eher als dass wir uns ängistigen oder sie zu vertreiben versuchen.

Viel häufiger als sie zu sehen, hören wir die Heuschrecken allerdings. Ihr Gezirpe und Gezirre ist, neben dem Summen und Brummen von Bienen und Hummen, das typische Geräusch einer Sommerwiese. Heuschreckengeräusche sind wie bei Vögeln je nach Art, Geschlecht und Situation unterschiedlich. Wer sich auskennt, kann raushören, wie die Männchen versuchen, ihre Weibchen zu bezirzen oder miteinander ums Revier rangeln. Gesang ist es übrigens nicht, sondern eher Musik. Denn die Geräusche machen die Heuschrecken nicht mit der Kehle und Stimmbändern, sondern sie reiben Flügel und Beine an einander, die extra so gewachsen sind, dass es ordenlich laut werden kann.

Was die einzelnen Hüpfer hier und heute an Blättern und Blüten konsumieren, fällt nur selten ins Gewicht. Sowieso sind nicht alle Heuschrecken Pflanzenfresser – die kleine Eichenschrecke etwa mag am liebsten Blattläuse.

Sie ist nachtaktiv und manchmal trifft man sie morgens im Haus, wenn sie angelockt vom Licht durchs offene Fenster hereingekommen ist. Einfach wieder raustragen, das ist das Allerbeste für alle Art Insekten, die aus Versehen zum Einbrecher geworden sind. Die Eichenschrecken leben, wie der Name schon sagt, am liebsten in den Wipfeln hoher Bäume. Auch viele andere Heuschrecken leben nicht nur im Heu oder Grashüpfer nur im Gras. Viele leben eben auch im Wald oder es gibt Kiesbank-Grashüpfer, die so heißen, wo sie wohnen: In den kiesigen Auen der Bergflüsse. Es gibt sogar eine Schrecke, die lieber drinnen lebt als draußen: die Gehörnte Höhlenschrecke, die aber sehr selten ist.

Häufig anzutreffen sind der olivfarbene Gemeine Grashüpfer oder der braune Feldgrashüpfer, ebenso die die Punktierte Zartschrecke. Sie mag Margeriten und Löwenzahn und andere Blüten, und schon früh im Jahr kann man junge, noch nicht flugfähige Zartschrecken auf den Wiesenblumen treffen.

Anders als viele Insekten verpuppen Heuschrecken sich nämlich nicht auf dem Weg zum fertigen Erwachsenen. Sind die kleinen Larven aus dem Ei geschlüpft, wachsen sie einfach nur noch weiter und häuten sich regelmäßig. Ihr Aussehen ähnelt schon von Anfang an sehr dem, was sie mal werden sollen. Nur die Flügel fehlen eben noch.

Zartschrecken sind so zartgrün und filigran wie sie heißen. Andere Heuschrecken haben durchaus martialische Namen: Die Dornschrecken etwa werden wegen ihres langen dornförmigen Rückenschildes so genannt.  Und der Warzenbeißer heißt so, weil man früher diese großen Heuschrecken in Warzen beißen ließ, in der Annahme, Zähne und Speichel würden sie verschwinden lassen. Eine markante Art, die man auf großen Wiesenflächen nach der Mahd treffen kann, ist die Blauflügelige Ödlandschrecke. Sie sitzt unscheinbar am kurzgeschorenen Boden, geht eher als das sie hüpft und fliegt erst im letzten Moment davon – und zeigt dabei woher ihr Name kommt: von ihren blauen Flügeln.

Heuschrecken, Grashüpfer, Grillen? Wer ist denn jetzt eigentlich wer?  Für Laien praktikabel ist die Unterscheidung zwischen Langfühlerschrecken und Kurzfühlerschrecken. Die Fühler der Langfühlerschrecken sind sehr lang, oft länger als der ganze restliche Körper. Zu ihnen gehören die Grillen und die Laubheuschreckenarten, zum Beispiel das Große Grüne Heupferd. Bei den Kürzfühlerschrecken dagegen sind die Fühler höchstens halb so lang wie der Heuschreckenkörper. Zu ihnen zählen die vielen Arten Grashüpfer.

Sie alle zählen verglichen mit vielen anderen Arten zu den eher großen Insekten bei uns. Sie sind deshalb gehaltvolles Futter für viele andere Tiere: Je mehr Heuschrecken, desto besser bekommen Vögel ihre Jungen durch und auch Igel, Kröten und Spitzmäuse brauchen und fressen Heuschrecken. So stellen die großen Hüpfer ihre durch Grünzeug angefutterte Biomasse anderen Tieren zur Verfügung und sind damit ein wichtiges Rad im Nahrungskreislauf der Natur.

Viele Insekten, manche Bienen oder Schmetterlinge, sind zur Nahrungsaufnahme auf eine einzelne Pflanze angewiesen, die Schenkelbienen auf Gilbweiderich oder der Wiesenknopfbläuling – auf Wiesenknopfpflanzen. Das ist bei den Heuschrecken anders. Vor allem die Vegetarier unter ihnen ernähren sich wenig speziell, irgendwelche Kräuter und Gräser sollten es halt sein. Leicht haben sie es trotzdem nicht: Sie brauchen vielfältig strukturierte Wiesenlandschaften, voll mit Blüten und damit auch voller – das ist wichtig für die fleischfressenden Heuschreckenarten – Insekten. In unseren Kultur- und Agrarlandschaften sind solche Lebensräume sehr selten geworden: Was nicht bebaut und versiegelt ist, wird intensiv als Grünland oder Acker genutzt, Privatgärten bestehen oft aus Kies, Schotter und sterilem englischen Rasen.

Deshalb: Wer naturnah gärtnert, mit wilden Hecken und kleinen Sträuchern, den Rasen zur Wiese werden lässt, hilft nicht nur Flip und Co, sondern tut auch allen anderen Gartentieren einen großen Gefallen. Beim Mähen der Wiese oder des Rasens sollte man darauf achten werden, diese nie vollständig zu mähen. Es sollten immer Teile stehen bleiben, in die sich die Hüpfer zurückziehen können; andere Tierchen sind dafür natürlich genauso dankbar. Auch im Gemüsegarten die Zügel locker zu lassen, hilft vielen Insekten. Mischkultur mit Bauerngartenblumen betreiben zum Beispiel oder auch mal einen Salat oder einen Kohl blühen lassen. Und im Herbst nicht alles aalglatt winterfein machen: Heuschrecken überwintern als Ei oder als Larve, je nach Art im Boden oder in Pflanzenstängeln. Deswegen verblühte Stauden stehen und Laub liegen lassen, sonst landet die neue Generation Heuschrecken mit im Kompost. Viele Arten sind trotz der großen Sprünge und der Flügel nicht über weite Strecken mobil.  Wenn sie einmal weg sind, sind sie weg. Das wäre doch sehr schade.

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