Ratten im Garten: Mythen, Müll und Missverständnisse
Ratten – allein das Wort löst bei vielen Unbehagen aus. Und wenn sie dann tatsächlich im Garten oder am Kompost auftauchen, ist die Versuchung groß, schnell und radikal zu handeln. Oder der Druck von Nachbarn oder offizieller Seite. Doch genau das – der schnelle Griff zum Gift – ist ökologisch gesehen eine Voll-Katastrophe. Gleichzeitig ist es schwer, gelassen zu bleiben. Deswegen ist es mir ein Anliegen, dieses ausführliche FAQ zu schreiben. Nicht, um Ratten zu verniedlichen - auch wenn es tolle und faszinierende Tiere sind. Sondern um aufzuklären. Denn viele Sorgen basieren auf Halbwissen, viele Maßnahmen sind unwirksam – oder richten mehr Schaden an als die Tiere selbst
Bevor wir gleich in die wichtigsten Fragen rund um Ratten im Garten einsteigen, hier schon mal die wichtigste Antwort: Wer Ratten im Garten sieht, hat nichts falsch gemacht. Sie sind Teil unserer Kulturlandschaften. Und einfach immer da. Aber man kann sie ein bisschen in den Hintergrund drängen.

Artenvielfalt ist vielen mittlerweile wichtig, aber es gibt immer Arten, wo es heißt, da hört es dann ja auf mit dem „Artenschutzspaß“. Vielleicht habt ihr eine Ratte aus dem Augenwinkel gesehen, ein Schatten am Schuppen. Vielleicht habt ihr Köddel gefunden, Löcher unterm Hochbeet oder das Tierchen saß vielleicht auch ganz offen mitten am Tag im Vogelhäuschen.
Ratten, so haben wir es gelernt, sind gefährlich – oder doch mindestens „eklig“. Was erstmal so nicht stimmt. Dazu gibt es so viele Fragen, die mich regelmäßig erreichen – per Mail, in den Kommentaren unter meinen Instagramposts oder direkt nach Vorträgen:
„Was mache ich, wenn plötzlich eine Ratte am Kompost sitzt?“
Oder: „Sind Ratten im Garten gefährlich für Kinder?“
Oder: „Ich will keinen Schaden oder Ärger – aber auch kein Gift auslegen. Was nun?“
Eins vorneweg: der Einsatz von Rodentiziden, also Rattengift, ist aus ökologischer Sicht eine Katastrophe. Es trifft nicht nur die Zieltiere; und Tiere, die aus Versehen an den Ködern fressen wie Igel oder Eichhörnchen. Rattengift tötet auch alle, die Ratten fressen, Greifvögel, Marder, Füchse, außerdem Aasfresser und auch Insekten. Also vor allem die Fressfeinde der Ratten, also genau die Helfer, die wir eigentlich fördern sollten. Rattengift löst das Problem also nicht – es verstärkt es.
Mein großes Anliegen ist: Kein Gift. Ob ihr Ratten liebt oder sie als daseinsberechtigte Mitgeschöpfe seht oder sie immer noch eklig findet, ist zweitrangig.
Deshalb kommen hier auf eure gesammelten Fragen die gesammelten Antworten.
Das große FAQ zu Ratten im Garten. Wenn danach noch Fragen offen sind, schreibt mir gern eine Nachricht an redaktion@krautundbuecher.de. Ich schaffe es nicht immer sofort – aber ich antworte.
… wenn ihr Lust habt, tiefer einzusteigen, dann schaut auch in meine Bücher:
In „Nahrungsnetze für Artenvielfalt“ geht es genau darum, wie alle Arten miteinander verbunden sind – und dass auch Tiere, die uns stören, oft entscheidende Rollen im System spielen. Und in „Friede den Maulwürfen“ erzähle ich auf unterhaltsame Weise von 30 tierischen Nervensägen – darunter auch die Ratte selbst – und wie wir gemeinsam mit ihnen gärtnern können.
Alle meine Bücher gibt es überall wo es Bücher gibt – und direkt bei mir in meinem kleinen Onlineshop. Dann auch gerne mit Widmung.
FAQ Ratten im Garten: Eure Fragen - meine Antworten
Leben Ratten wirklich einfach so überall – oder haben wir etwas falsch gemacht? Ratten sind ein fester Teil unserer Welt. Ob Stadtgarten oder ländlicher Hof – sie leben dort, wo Strukturen, Verstecke und Nahrung zusammenkommen. Wo Menschen sind, sind auch Ratten. Das hat nicht unbedingt etwas mit eurer Gartengestaltung oder Sauberkeit zu tun. Ratten sind Kulturfolger, das heißt: Sie folgen dem Menschen, weil er Spuren hinterlässt, die sich für sie lohnen. Ihr macht also nichts falsch, wenn ihr mal eine seht. Sie gehören schlicht zur Kulturnatur dazu.
Wie gefährlich sind Ratten wirklich? Können sie Krankheiten übertragen?
Ja, theoretisch können sie das – wie alle anderen Wildtiere auch. Die Übertragung erfolgt aber nicht durch das bloße Dasein, sondern über engen Kontakt: durch Bisse oder das Einatmen von Staub mit getrocknetem Kot oder Urin. Das ist bei Mäusen aber nicht anders. Wenn ihr beim Aufräumen Handschuhe tragt, die betroffenen Stellen vorher befeuchtet und nach der Gartenarbeit gründlich die Hände wascht, ist das Risiko minimal. Eine FFP2-Maske kann zusätzlichen Schutz bieten, wenn ihr einen Schuppen aufräumt, der von Ratten oder Mäusen bewohnt wurde. Beim Fegen wird viel Staub aufgewirbelt, das sollte man nicht einatmen.
Können Kinder noch im Garten spielen, wenn dort Ratten gesichtet wurden?
Ratten sind äußerst scheu, sie meiden Menschen, vor allem Kinder in Bewegung. Solange keine offenen Lebensmittel herumliegen und nach dem Spielen Hände gewaschen werden, besteht kein erhöhtes Risiko. In der Regel flüchten Ratten, lange bevor wir sie überhaupt bemerken. Es ist sogar gut, wenn die Kinder viel im Garten sind. Das nervt und die Ratten verziehen sich in den Hintergrund.
Nach einer Ratte kommen viele. Wie könnt ihr verhindern, dass sich Ratten stark vermehren?
Die oft beschriebene explosionsartige Vermehrung klappt nur, wenn alles passt. Für alle Kinder und Kindeskinder der Rattenfamilie müssen in eurem Garten auch Plätze und Futter zur Verfügung stehen. Heißt: wenn ihr sie nicht füttert – auch nicht indirekt – und keine idealen Unterschlupfe bietet, klappt das sicher nicht. Achtet darauf, dass Mülltonnen fest verschlossen sind, Tierfutter sicher aufbewahrt wird, Kompost nur mit pflanzlichen Resten befüllt ist und Schuppen nicht zu einem gemütlichen Nest werden.
Was, wenn neben dem Garten der Müllplatz der Kleingartenanlage ist? Oder ein Biergarten, wo viel „abfällt“? Dann kann man selber nicht viel Einfluss nehmen aufs Nahrungsangebot.
Um so wichtiger ist es, den eigenen Garten für Ratten ungemütlich zu machen, dann kommen sie maximal zu Besuch. Oder sich wilde Helfer einzuladen. Im Blogbeitrag zu den Wühlmäusen steht einiges dazu, was auch für Ratten gilt. Gute Bedingungen für Fressfeinde, schlechte Bedingungen für Ratten. Das ist nicht ganz einfach und ein bisschen aufwändig, aber möglich.
Warum zieht das Füttern von Igeln und Vögeln Ratten an – und was könnt ihr stattdessen tun?
Regelmäßige Fütterung, vor allem am Boden, ist für Ratten ein Hauptanreiz. Was für Vögel und Igel gedacht ist, wird schnell von anderen entdeckt – gerade nachts. Füttern ist für den Artenschutz gar nicht so notwendig, wie man oft denkt und hört. Es gibt weitaus bessere Möglichkeiten, nicht nur einzelnen Arten, sondern ALLEN Tieren zu helfen. Durch Strukturen, Pflanzenvielfalt und Rückzugsorte – ganz ohne Zusatzfutter und Rattensorgen. Mein Content hier auf dieser Website, in meinen Büchern und auch auf Instagram ist voll davon. Dass es funktioniert, erlebe ich jeden Tag in meinen eigenen Gärten. Wildtierfüttern ist schön für uns Menschen, kann aber eben aus vielen Gründen nach hinten losgehen. Wenn deswegen viele Ratten auftauchen, wegen denen jemand Gift auslegt, das ein ökologisches Desaster anrichtet – ist das einer davon.
Warum tauchen bei Hühnern und Kaninchen oft Ratten auf – und was lässt sich tun?
Wo regelmäßig Futter in Stallnähe herumliegt, da sind auch Ratten. Wenn ihr Tiere haltet, ist es wichtig, möglichst gezielt zu füttern. Futterstellen sollten abends leergeräumt, Behälter verschlossen und Vorräte sicher gelagert sein, Ställe mit engem Maschendraht gesichert. Es ist keine einfache Aufgabe, aber gut investierte Zeit, wenn Ratten Probleme machen. Danach hat man oft erstmal seine Ruhe.
Stimmt der Satz: „Wenn man eine Ratte sieht, sind zwanzig in der Nähe?“
Nicht unbedingt. Ratten sind vorsichtig und zeigen sich selten. Wenn eine Ratte am Tag unterwegs ist, kann das bedeuten, dass sie sich sicher fühlt – oder Hunger hat. Eine Sichtung ist also kein Beweis für eine große Population. Aber die Wahrscheinlichkeit ist doch recht hoch. Entscheidend ist, ob regelmäßig Spuren auftauchen – nicht, ob ihr mal eine Einzelne seht.
Muss ich etwas tun, wenn mich die Ratten nicht stören – und wie geht ihr mit andersdenkenden Nachbarn um?
Wenn ihr keine Futterquelle bietet und keine Schäden auftreten, müsst ihr nicht zwingend aktiv werden. Oder einer etwaigen Meldepflicht nachkommen, wenn ihre kein Problem damit habt, dass Ratten da sind. Niemand kann ja nachweisen, dass ihr Ratten gesehen habt. Allerdings erledigen das meist die Nachbarn. Möglicherweise lohnt sich das Gespräch: Was stört sie genau? Was habt ihr unternommen? Informiert, offen und sachlich lässt sich vieles klären – gerade, wenn ihr auf Gifte verzichten möchtet.
Können naturnahe Gärten ohne Rattenprobleme funktionieren – auch mit Laubhaufen und Totholz? Oft wird auf Flyern von Gemeinden dafür geworben, keine „Unterschlüpfe“ anzulegen.
Wildstrukturen allein machen keinen Ratten-„Befall“. Mal die ein oder andere, aber Ratten können sich in einem Wildnisgarten nicht so vermehren wie in einem warmen Schuppen mit voller Mülltonne. Erst in Verbindung mit Futterquellen werden auch Wildnisgärten interessant. Kein offenes Futter, das ist wichtig. Dann wird es kein Rattenparadies – sondern bleibt ein wertvolles Ökosystem.
Kann Kompost noch verwendet werden, wenn Ratten darin waren?
Wenn ihr es gut durch-verrotten lasst, eventuell beim Umsetzen Handschuhe tragt, die Erde anfeuchtet und sie nicht direkt auf Gemüse streut, das roh verzehrt werden soll, dann ist das unproblematisch. Ihr könnt den Komposthaufen aber auch lassen, wie er ist – als Lebensraum für viele Tiere – Ratten sind nur eine davon. Und zum nutzen einen Zweit-Kompost anlegen.
Wie hält man Ratten vom Kompost fern?
Lasst tierische Produkte weg – kein Fleisch, kein Käse, kein Brot in Massen. Kompostiert nur trockene Pflanzenreste, Kaffeesatz, Laub, Gartenabfall. Achtet auf gute Durchmischung, und wer ganz sicher sein will, nutzt einen rattensicheren Komposter mit Gitter unten.
Können Ratten Kabel und Möbel beschädigen – und was lässt sich vorbeugen?
Ja, das können sie – vor allem, wenn sie in Innenräume gelangen. Achtet auf dichte Türabschlüsse, verschließt Ritzen und lagert keine empfindlichen Gegenstände offen in zugänglichen Nebengebäuden. Ratten sind neugierig und probieren alles mal aus.
Woran erkennt man überhaupt, dass Ratten da sind?
Typische Spuren sind kleine Kotkügelchen, Laufspuren, Löcher und Gänge im Boden oder scharfer Geruch. Auch dass alles mögliche angefressen ist und benutzte Nistmaterialien in Schuppen oder unter Brettern können Hinweise sein.
Können Hunde, Katzen oder Wildtiere Ratten fernhalten – und wie?
Hunde und Katzen können durch Präsenz abschrecken. Auch ihr selber könnt euch ein paar Tage Zeit nehmen und den Ratten krass auf die Nerven gehen. Ich habe es oft erlebt, dass im Winter die Ratten sich doch sehr wohl gefühlt haben im Garten, sobald der aber wieder regelmäßig genutzt und bespielt wurde von Kindern und Hund, waren sie weg. Noch wichtiger sind aber natürliche Feinde wie Eulen, Marder, Wiesel oder Greifvögel. Wenn ihr diesen Tieren Lebensraum gebt, entsteht ein natürliches Gleichgewicht – oft wirksamer als jede Falle. Auch dazu lest ihr viel im Blog-Beitrag „Wühlmäuse“ und noch mehr im EBooklet „Wo die wilden Helfer wohnen“, das gibt’s in meinem kleinen Online-Shop zum Sofort-Download gegen eine kleine Schutzgebühr.
Helfen Hausmittel wie Essig oder parfümgetränkte Tampons?
Kurzfristig vielleicht – aber Ratten sind lernfähig. Langfristig hilft nur: Die Umgebung unattraktiv machen. Kein Futter, keine Ruhe, keine sicheren Nester. Siehe oben 😊
Sind Lebendfallen eine gute Lösung?
Besser als Schlagfallen auf jeden Fall. Die töten im Zweifel auch Eichhörnchen und Siebenschläfer. Aber Fallen lösen meist nur das sichtbare Problem – nicht die Ursache. Zudem ist das Aussetzen der Tiere tierschutzrechtlich schwierig. Wenn ihr Fallen einsetzen wollt, dann bitte mit Plan – und im Idealfall gemeinsam mit Fachleuten. Auf eigene Faust erreicht man nicht viel, denn wenn die eine Ratte weg ist, aber der Garten immer noch ein Rattenparadies, kommt schnell die nächste.
Stimmt es, dass getötete Ratten durch stärkeren Nachwuchs ersetzt werden?
Ratten können auf Verluste mit erhöhter Fortpflanzung reagieren, ja. Auch neue Tiere wandern nach. Das heißt: Töten schafft oft kurzfristige Ruhe – aber langfristig neue Probleme. Viel sinnvoller ist es, die Lebensgrundlage für größere Populationen zu entziehen.
Wohnt eine Ratte gleich bei euch, wenn ihr sie seht?
Nicht unbedingt. Ratten legen weite Wege zurück – vor allem nachts. Eine Sichtung kann bedeuten, dass sie nur kurz vorbei schaut. Ob sie bleibt, hängt davon ab, ob ihr Platz und Futter bietet. Das solltet ihr dann auf jeden Fall erstmal vermeiden.
Welche sanften Maßnahmen helfen, dass sich Ratten nicht ansiedeln?
Sorgfältiger Umgang mit Müll, Kompost und Tierfutter, das ist das wichtigste. Wenn ihr dazu noch natürliche Feinde unterstützt, statt sie zu vertreiben, ist euer Garten bald kein attraktives Rattenrevier mehr.
Dürfen Kommunen euch verpflichten, etwas gegen Ratten zu tun?
Teilweise ja – insbesondere, wenn eine Gesundheitsgefährdung vermutet wird. Das handhabt aber auch jede Kommune anders. So oder so habt ihr das Recht auf Nachfragen und fachliche Beratung. Fragt nach Alternativen zu Gift, dokumentiert eure Maßnahmen, bleibt sachlich. Ich empfehle immer die Seiten vom Umweltbundesamt. Das ist quasi auch eine „Behörde“, aber die setzen sich sehr engagiert und höchst kompetent dafür ein, KEIN Gift zu verwenden und begründen das auch sehr ausführlich. Es gibt Flyer und Infomaterial. Ich würde jeden Brief von der Gemeinde mit der Bitte um einen Gesprächstermin kontern und dann diese Materialien mitbringen, um vielleicht zu einer „friedlicheren“ Lösung zu kommen.
An wen könnt ihr euch wenden, wenn ihr wirklich Hilfe braucht – und woran erkennt ihr gute Profis?
Gute Schädlingsbekämpferinnen nehmen sich Zeit, analysieren die Lage, suchen Ursachen. Und Lösungen. Sie legen nicht einfach nur sofort Köder aus, sondern erklären, was sie tun – und warum und haben auch Alternativen im Angebot. Lasst euch beraten und gebt euch nicht mit schnellen Lösungen zufrieden.
Wie könnt ihr Nachbarinnen sensibilisieren – zum Beispiel beim Thema Vogelfutter oder auch bei Gift?
Sprecht offen an, was ihr beobachtet. Fragt nach, warum gefüttert wird. Erzählt von den Folgen – nicht nur für Ratten, sondern für Igel, Greifvögel, Haustiere. Zeigt Alternativen: Hecken, Wildblumen, Wasserstellen. Und erklärt: Vogelfüttern rechtfertigt nie den Einsatz von Gift – nicht vorn und nicht hintenrum. Das ist vermeintlicher Artenschutz mit Todesfolge für viele Arten. Wenn eure Nachbarn Gift verteilen, haltet Hunde und Katzen möglichst im Blick, räumt verendete Ratten sofort weg und fragt nach, wo Köder liegen. Bittet darum, sie Eichhörnchen-sicher auszubringen oder schaut selber nach. Sprecht mit der Kommune, wenn ihr unsachgemäßen Einsatz vermutet. Euer Garten ist Lebensraum – nicht Todesfalle.