Der Not-to-do-Gartenkalender
Das übliche Gartenjahr hält viele wiederkehrende Arbeiten für uns bereit. Vom Umgraben im Herbst bis zum regelmäßigen Rasenmähen.
Vieles davon macht man einfach so, ohne groß darüber nachzudenken, weil man es eben so macht. Dabei ist das meiste gar nicht nötig und um den Garten klimafest zu machen und für die Artenvielfalt sogar genau falsch. Hier kommen mal einige Gartenregeln auf den Prüfstand und dabei ist Einiges, was ihr von eurer To-Do-Liste streichen könnt

Beginnen wir mit einer der typischsten aller Gartenarbeiten: Rasenmähen. Wo ein Rasen ist, ist der Mäher nicht weit. Vielleicht sogar ein Mähroboter. Der kann rund um die Uhr laufen, und oft auch nachts. Das ist so schön praktisch, Rasenmähen im Schlaf. Aber es ist sehr gefährlich für verschiedene Insekten, Blindschleichen, Insekten, Frösche, Kröten oder alle anderen Tiere, die nachts eben nicht schlafen, sondern unterwegs sind. Deshalb sind auch Igel in Gefahr. Begegnet ihnen auf der nächtlichen Runde durchs Revier etwas Bedrohliches, kugeln sie sich zusammen. Sie haben keinen Fluchtreflex. Sondern einen Freezereflex. Sie bleiben liegen und werden übergemäht. Oft sind sie zwar nicht tot, aber verletzt und diese Wunden infizieren sich oft, sodass sie dann doch daran sterben.
Macht lieber mit bei der Aktion »Mähfreier Mai« der Deutschen Gartenbau Gesellschaft. Nach englischem Vorbild ruht der Rasenmäher ab dem 1. Mai. Unter dem Hashtag #MähfreierMai finden sich in den Sozialen Medien viele Beiträge und inspirierende Fotos. Je geblümter euer grüner Rasenteppich dabei wird, desto robuster wird er auch; hält auch in trockenen Sommern durch und bleibt grün. Kleine Lücken fallen nicht mehr so deutlich auf, braune Stellen, Maulwurfshügel zum Beispiel, werden schneller wieder bewachsen. Wenn alles raspelkurz ist, sind die Gräser in kürzester Zeit verbrannt; gibt es Starkregen, wird die Fläche zu brauner Matsche. Bleiben die Halme länger, verteilt sich das Wasser besser. In trockenen Phasen sammelt sich Tau darin und dieser versorgt die Grünfläche von alleine mit dringend nötiger Feuchtigkeit. Wenn dann noch Klee, Gänseblümchen und Taubnesseln blühen freuen sich auch Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge.
Weiter geht’s durch den Maschinenpark: Laubsauger sind praktisch und effizient, aber tödlich für Käfer, Spinnen, Tausendfüßer, Asseln, oft auch für größere Tiere wie Kröten und Eidechsen und für alles, was als Puppe oder Larve oder Raupe oder Ei mehr oder weniger regungslos im Laub den Winter verbringen wollte um im nächsten Jahr die nächste Insektengeneration zu gründen. Außer das befriedigende Gefühl, das ein ordentlicher Gärtner verspürt, wenn alles weg und wieder sauber ist, hat niemand was davon. Im Gegenteil: Wer das Laub aus dem Garten holt, unterbricht die Nahrungskette und den Kreislauf des Lebens an einer wichtigen Stelle. Sucht euch lieber gute Rechen oder Laubgreifer für die Stellen, wo das Laub weg muss und schichtet das eingesammelte Laub dann zu einem Haufen auf. Ansonsten lasst es liegen, wo es ist. Laub schützt und wärmt allen Pflanzen die Füße, weil es schön isoliert und zusätzlich bei der Verrottung Wärme produziert. Frühblüher kommen aus einer Laubschicht früher ans Licht, weil sie Futter und Wärme haben, nicht etwa später. Ohne Laub kommen sie vielleicht gar nicht, weil sie erfroren sind, sollte der Winter streng gewesen sein.
Was uns gleich zum nächsten Not-to-Do führt: Krokusse, Schneeglöckchen, Blausternchen und Narzissen sehen nach der Blüte zwar recht trostlos aus, sollten aber dennoch – wie vielfach empfohlen – nicht abgeschnitten werden. Ohne Samen klappt es nicht mit der Verwilderung. Und: Die Samen ernähren vom Vogel bis zur Ameise viele Tiere in der großen Garten-WG, die wichtig, schön und nützlich sind.

Mehr dazu wie sich Pflanzen von alleine verbreiten – und verbreitet werden, von Wind, Tieren und Wasser, ohne dass wir Menschen irgendwas tun müssten: in diesem Buch „Selbst ist die Pflanze“
Die beste Nachricht, dass auch schwerster aller Gartenarbeiten, das Umgraben, nicht nötig ist. Eher schädlich. Denn: Jeder Boden – ob sandig, lehmig, tonig, steinig – hat eine von oben nach unten gewachsene Schichtung und steckt voller Lebewesen. Bakterien, Rädertierchen, Algen und Einzeller, Pilze aller Art, die man so gar nicht als Pilze erkennt, Regenwürmer, Borstenwürmer, Fadenwürmer und andere Würmer, Asseln, Tausendfüßler, Springschwänze, Milben, Käfer, Larven – in einer Handvoll Boden leben mehr Wesen als Menschen auf der Erde, heißt es so schön. Und weil es eben nicht nur eine Handvoll Erde mit Tieren drin ist, sondern eine Handvoll einer höchst systematisch und uhrwerkartig zusammenarbeitenden Lebensgemeinschaft bringt Umgraben diese lebendige Ordnung völlig durcheinander.
Zusatznutzen: Wenn wir nicht umgraben, sollten und müssen wir auch das Beet nicht abräumen. Auch das ist ja üblich, dass für den Winter alles schön gestutzt und abgeerntet wird. Es nicht zu tun ist viel, viel besser. Denn all die Bodenlebewesen haben gerne ein Dach über dem Kopf. Restliches Gemüse kann ausblühen und späte oder frühe Insekten ernähren und Vögel. Viele Blumen sehen nicht nur unglaublich malerisch aus, wenn Frost und Schnee sie verzieren. Weil ihre Samenstände stehen bleiben, finden Vögel auch im Winter Futter; in den Stängeln überwintern Insekten und diese sind dann im Frühling am Start, bei der Bestäubung zu helfen und auch um sich gegenseitig in Schach zu halten.
Idealerweise kommen dann auch die Pflanzen von alleine wieder, was nicht nur preiswerter ist, sondern besser als immer wieder nachzupflanzen. Zwar werden im Gartenmarkt oder auch in Discountern – seit die Bienenrettung in ist – verschiedene Blumen und Stauden mit dem Label „insektenfreundlich“ ausgewiesen und angepriesen: aber auch das ist oft ein Fake. Theoretisch stimmt es zwar, dass Lavendel, Kamille, Katzenminze und Co. insektenfreundlich sind. Aber diese Paketen und Paletten wurden oft mehr oder weniger industriell hergestellt, auf großen Plantagen oder in Gewächshäusern; auch in Ländern des globalen Südens, zum Teil mit Pestiziden, die in der EU gar nicht zugelassen sind. So gefährdet dieser Anbau der Pflanzen dort die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter und tötet hier die Bienen, die an den mit guter Absicht gepflanzten, aber mit bienengefährlichen Pestiziden belasteten Blüten Nektar und Pollen sammeln.
Nach dem Winter sind die Stauden oft von alleine zersetzt. Ein Mythos, dass der Gärtner überall alles selber machen muss. Den kleinen Rest gibt man dann auf den Kompost, bitte nicht ins Osterfeuer. Das sollte man ohnehin kleinhalten oder ganz weglassen. Dass man kurz vor dem Anzünde den Haufen noch mal umschichtet, reicht zwar, um Vögel Frösche oder andere Kleintiere aufzuscheuchen, damit der Haufen nicht zur Todesfalle wird. Aber was ist, wenn der Igel noch schläft oder der Hase schon Nachwuchs hat? Was ist mit all den Insekten, die an und im Holz als Ei oder Larve sitzen und nicht flüchten können. Sie alle sterben.
Nach Ostern geht es nun so richtig los: Die Pflanzen sprießen und Blattläuse und auch Schnecken treten auf den Plan. Der Faktencheck ergibt: Pflanzen sterben nicht am Lausbefall, die Läuse breiten sich auch nicht unkontrolliert aus und befallen am Ende alle Pflanzen im Garten. Es geht keiner Art um Vermehrung im Sinne von „immer mehr werden und am Ende die ganze Welt beherrschen“. Es geht immer nur darum, sich fortzupflanzen, um die Art zu erhalten. Die rasante Vermehrung von Blattläusen zum Beispiel ist als Futter für viele andere Lebewesen eingepreist und wer – wie schonend auch immer – Blattläuse vernichtet, nimmt allen diesen ihre Nahrungsgrundlage weg.

Mehr zum Thema könnt ihr in meinem Buch „Nahrungsnetze für Artenvielfalt“ lesen
Auch beim Thema Schnecken: Vieles, vor allem das empfohlene Schneckeneier sammeln im Herbst ist Fake. Fakt ist: Schneckeneier sind die Nahrung vieler Käferlarven, von Glühwürmchen zum Beispiel, aber auch dicker Kerle wie Laufkäfer. Viele Arten fressen auch erwachsene Schnecken. Heißt im Umkehrschluss, wer diesen Tieren die Nahrung wegnimmt, verhindert, dass schlagkräftige Schneckenjäger heranwachsen – und muss sich nicht wundern, wenn die Schnecken nicht weniger werden. Also besser Käfer fördern als Schnecken töten! Schon gar nicht mit Schneckenkorn, egal ob normal oder bio. Das hilft auch Tieren wie Igeln oder Gartenschläfern, die sich von Käfern und Schnecken ernähren. Besser dass es genug von beiden gibt als zu wenig.
Das herbstliche Nistkasten-Reinigen oder gar Abhängen: Auch das könnt ihr lassen.
Nistkästen hat man entgegen anderslautender Ratschläge nie genug. Denn insgesamt gibt es viel zu wenige solcher Höhlen. In der Natur gibt es sie eigentlich nur in alten Bäumen, und von denen gibt es immer weniger. Sie sind auch nicht so schnell zu ersetzen, denn bis ein Baum groß und alt ist, vergehen viele Jahrzehnte. Besser es bleiben einige Nistkästen leer im Garten, als dass die Vögel im Frühjahr zur Brutzeit keinen Platz für ihr Nest finden, Fledermäuse und Siebenschläfer kein Winterquartier. Deshalb sollte man auch keine Nistkästen abhängen über den Winter oder im Herbst gründlich reinigen. Besser ist es, einen Nistkasten nur dann zu öffnen, wenn es absolut nötig ist und immer ganz vorsichtig. Vielleicht brütet noch jemand oder hält schon Winterruhe. Die Tierchen verlieren sehr viel Energie, wenn sie wach werden und sie finden selten etwas Neues, um dort weiterzuschlafen bis es Frühling ist. Auch Hummelköniginnen, Schmetterlinge, Fledermäuse und Bienen, Ohrkneifer und Florfliegen siedeln sich in Vogelkästen oder Gartenschläferhäuschen an.
Mehr zu Gartenschläfern und wie ihr für die Tiere Nistplätze schaffen könnt, lest ihr hier.
Und Gartenschläferkästen aus meinen Crowdfunding gibts hier zum Bestellen