Laub ist Liebe
Beim Thema Laub schwankt man schnell zwischen Poesie und purer Verzweiflung.
Der Herbst, so heißt es, ist ein zweiter Frühling, in dem jedes Blatt zur Blüte wird. Kaum kann man sich an den Formen und Farben sattsehen, im Garten, im Wald, im Park – zauberhaft. Klingt schön poetisch, oder? Aber! Nervig wird Laub, wenn es auf die Erde fällt und braun und matschig wird. Das Laub muss weg, das scheint ein Naturgesetz zu sein.
Nichts bringt den Garten im Herbst so zum Leuchten wie das bunte Laub. Und nichts macht ihn so lebendig wie Laub, das einfach liegen bleibt. Trotzdem schwanken viele zwischen Poesie und purer Verzweiflung: Kaum liegt das goldene Blättermeer am Boden, gilt es plötzlich als „Dreck“. Dabei ist Laub kein Abfall, sondern die Nährstoff-Recyclingmethode der Natur – Bodenfutter, Wärmedecke, Feuchtigkeitsspeicher und Winterquartier in einem. Vom Zitronenfalter bis zum Igel profitieren alle davon.
Erst mal liegen lassen – auch das „schwierige“ Laub. Ja, auch Eiche, Walnuss, Kastanie? Keine Sorge: Das darf über Winter liegen bleiben. Denn der Wärmeschutz zählt jetzt mehr als die langsamere Zersetzung oder sonstige Problematiken. Auf längeren Rasenflächen oder Wiesen lagern sich die Blätter locker ein, wie eine Daunendecke. Nur auf kurzgeschorenem Zierrasen kann es faulig werden. Auch Stauden unter Eiche oder Nussbaum helfen mit: Sie halten das Laub fest, und weil dort ein reges Bodenleben herrscht, ziehen Regenwürmer und Co das Laub nach und nach nach unten. So entsteht wertvoller Humus.
Hummeln zum Beispiel brauchen im Herbst ganz dringend Laub. Im Herbst sterben die Hummelvölker ab – das ist ganz normal. Was ihr seht, sind die Arbeiterinnen. Nur die Königinnen überwintern, um im nächsten Jahr neu zu starten. Damit das gelingt, brauchen sie jetzt ein warmes, geschütztes Winterquartier. Jede kleine Laubinsel, die einfach dort liegenbleibt, wo sie der Wind hingetragen hat, ist ein Rettungsanker im Meer der Artenfeindlichkeit.
Natürlich gibt es Stellen, an denen Laub gefährlich werden kann: auf Gehwegen, Zufahrten oder Treppen (Rutschgefahr!). Und aus Magerbeeten oder Teichen sollte man es entfernen, um Nährstoffeintrag zu vermeiden.
Aber dabei gilt: Umschichten statt vernichten: Wo Laub wirklich weg soll, dann nicht in die Tonne. Sondern es kann an anderen Stellen viel Gutes tun:
- Laubhaufen: Windgeschützt aufschichten, mit Ästen und Steinen hohlraumfreundlich gestalten. Dornenzweige obenauf schützen vor Räubern.
- Viele kleine Haufen: mal sonnig, mal schattig – jeder Standort zieht andere Gäste an: Frösche, Kröten, Eidechsen.
- Balkon & Kübel: Pflanzgefäße in Kisten oder Jutesäcke stellen und Zwischenräume mit Laub füllen, oben eine Laubdecke als Isolierung.
- Laubkompost: vor allem „schwieriges“ Laub separat kompostieren – langsam, aber lohnend.
Bitte keine Laubsauger oder Bläser: Sie töten massenhaft Insekten und Kleintiere. Ein Rechen oder Besen ist leise, gesund – und lässt Leben am Leben. Noch besser: Lasst den Wind die Arbeit machen. Dann sammelt sich das Laub dort, wo ein Igel sein Winternest bauen möchte.
Außerdem: Jedes Blatt ist Lebensraum: Gallen, Miniergänge, eingerollte Blattränder – sie alle sind kleine Kinderstuben. Darin überwintern Larven, Puppen und Eier der künftigen Bestäuber, Nützlinge und Futtertiere für Vögel und Igel. Wer Laub beseitigt, entfernt mehr Leben, als man ahnt.
Frisch online: Artensprechstunde „Laub ist Liebe“
Das war nur der Schnelldurchlauf – die volle Portion Laub gibt’s jetzt in der neuen Folge meiner Artensprechstunde auf Birgits Bio-Balkon.
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Ich freue mich auf euch – und auf den Chat mit euren Fragen!
Laub ist Klimaanlage und Sparschwein: Im Winter isoliert es, im Sommer kühlt es, hält Feuchtigkeit im Boden und spart Wasser. Es ersetzt Vlies, Frosthauben, liefert Dünger und Humus – und spart ganz nebenbei auch Geld. Kurz gesagt: Wer Laub liegen lässt, spart Arbeit, Geld und rettet Arten.
Nach dem Winter, im Frühling: Laub bitte so spät wie möglich räumen – oft erst ab Mitte April. Viele Tiere schlafen noch oder brauchen die Laubschicht als Kältepuffer. Wenn ihr aufräumt, dann vorsichtig und etappenweise. Reste können an den Beetrand oder unter Hecken – statt in den Müll. Bonus: Laub lenkt Schnecken ab und hält ihre Fressfeinde im System.

Danke für die interessanten Hinweise. Bis jetzt hatte ich immer die Wallnussblätter grob von unserer Naturwiese entfernt auch um den Nährstoffeintrag zu verhindern und habe es unter die Büsche gelegt. Unterdrückt es nicht die Pflanzen auf der Wiese? Was ist mit Robinienlaub? Wir haben zwei alte Robinien im Garten, die wir nicht fällen wollen. Es brüten Stare darin und Efeu rankt sich hoch. Vielen Dank!
Über den Winter ist auch „böses“ Laub ein wunderbarer Dämmstoff. Es unter die Büsche zu legen ist eine gute Idee. Mit den Robininen würde ich es genauso handhaben. Eventuell kann man auch einen Kopmost nur mit Laub anlegen. Ist jetzt nicht so super fürs Gemüsebeet, aber ein Komposthaufen ist auch einfach ein toller Lebensraum, vor allem im Winter schön warm.