Mähfreier Mai: Was ist das - und wie geht es danach weiter?
Nachdem England erst den „englischen“ Rasen in die Welt gesetzt und viel Schaden über die Gärten und Arten gebracht hat, wurde dort auch die Aktion #MähfreierMai erfunden. Als Schadensbegrenzung. Seit 2021 gibt es den #MähfreienMai auch in Deutschland. Ziel ist es, Menschen mit Garten dazu zu ermutigen, ihre Grünfläche artenfreundlicher zu gestalten – einfach, indem sie weniger tun. Mal nicht mähen. #WenigerArbeitmehrArtenreich.
Im Mai nicht zu mähen hat viele Vorteile für die Artenvielfalt: für Wildbienen, Schmetterlinge und Käfer – und für alle Tiere, die auf sie angewiesen sind: Igel, Vögel, Gartenschläfer. Die Pflanzen dürfen wachsen und blühen, auch wenn es so schnell nicht die bunte Sommerblumenwiese wird wie in der Werbung. Aber: egal was wächst, es sind immer MEHR Pollen, Nektar, Blattgrün und Samen da als im Kurzrasen. Es können sich immer MEHR Tiere ernähren, verstecken, vermehren. In den längeren Halmen leben und jagen Käfer, Spinnenmamas, Froschbabys, Heuschrecken oder Libellen. Mehr Insekten bedeuten mehr Futter für Igel und Vögel – und übrigens weniger Schnecken. Insgesamt kommt der ganze Kreislauf des Lebens in Schwung.
Bevor wir uns gleich den wichtigsten Fragen widmen kommt hier schon mal die wichtigste Antwort : Falsch machen könnt ihr nichts. Der mähfreie Mai ist keine Prüfung, sondern eine Einladung. Einfach mitmachen ist genau richtig.

Der „Mähfreie Mai“ ist inzwischen zwar vielen ein Begriff – und mindestens genauso vielen ein Rätsel. Vielleicht habt ihr es ausprobiert, euren Rasen im Mai einfach wachsen lassen. Vielleicht habt ihr es euch vorgenommen, euch aber nicht getraut, weil das ja schon auch ein bisschen wild aussieht. Oder ihr habt euch gefragt, was das überhaupt bringen soll. Denn statt bunter Blumen hattet ihr plötzlich kniehohes Gras im Garten – und Zweifel, ob das jetzt gut oder schlecht war.
So viele Fragen bekomme ich auf meine Posts auf Instagram und auch bei Vorträgen, wann immer ich den Mähfreien Mai empfehle.
„Ich mache mit beim mähfreien Mai – aber wie geht das genau?“
Oder: „Ich habe alles wachsen lassen, aber es ist nur Gras gekommen.“
Oder: „Wie geht’s denn jetzt weiter – und war das überhaupt sinnvoll?“
Deshalb kommen hier auf eure gesammelten Fragen die gesammelten Antworten. Das FAQ des Mähfreien Mai.
Falls danach noch Fragen offen sind, schreibt mir gerne eine Mail. Ich antworte zwar nicht immer sofort – das schaffe ich nicht. Aber ich antworte.
Wenn euch das Thema begeistert, dann schaut auch gern in meine Bücher:
In „Nahrungsnetze für Artenvielfalt“ gibts tolle Illustrationen, nicht nur zum Thema Wiese; in den Texten wird auch klar, wie alles mit allem zusammenhängt und dass eine Blumenwiese mehr ist als das richtige Saatgut. Sondern ein riesiges Kooperations-Projekt zwischen Blumen, Kräuter, Gräsern, Insekten, Bodenlebewesen, Vögeln, Raubtierchen und Grasfressern. Jede Wiese ist eine eigene Persönlichkeit.
In „Selbst ist die Pflanze“ erfahrt ihr, welche Wiesentypen es gibt, wie ihr sie in euren Alltag holen könnt, wo Kompromisse sinnvoll sind, welche es gibt – und lernt jede Menge geeigneter Pflanzen kennen. Die dann die Arbeit mehr oder weniger selber machen. Und zwar nicht nur auf der Wiese. Auch im Rosenbeet und unter der Baumscheibe, am Gartenteich, im Gemüsebeet und auch auf Problemstellen.
Und: in „Mein Garten – mehr Arten“ gibt es viele kleine Projekte, nicht nur um eure Grünfläche ökologischer zu machen, auch ohne das volle Wiesen-Gräser-Programm, sondern auch für viele andere Stellen im Garten: Zaun und Hecke, Kinderspielplatz oder Matschecken. Das Buch ist ideal für alle, die keinen radikalen Umbau im Garten wollen (oder können, oder dürfen). Auch mit diesen kleinen Projekten wird jeder Garten sofort klimafester und artenreicher machen, ohne große optische Veränderungen.
FAQs Mähfreier Mai: Eure Fragen - alle Antworten
Ein Monat nicht mähen – was soll das eigentlich bringen für die Artenvielfalt?
Ziemlich viel, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht danach aussieht. Schon ein paar Zentimeter mehr bringen viel. Viele Pflanzen, die sonst nie zur Blüte kommen, haben jetzt die Chance dazu. Löwenzahn, Klee, Gänseblümchen, Spitzwegerich – sie alle öffnen bieten Pollen und Nektar. Längeres Gras schafft Strukturen, Lebensräume, Möglichkeiten. Und davon profitieren nicht nur Wildbienen, sondern auch Laufkäfer, Heuschrecken, Schwebfliegen, Vögel, Igel und viele andere. Je weniger oft ihr über die Fläche fahrt oder lauft, desto weniger wird der Boden verdichtet, das freut Regenwürmer und Co.
Welche Arten sollen überhaupt profitieren – ich habe kaum Wildbienen gesehen?
Das bedeutet nicht, dass keine da waren. Viele Wildbienen leben so unscheinbar, dass wir sie gar nicht bemerken. Andere Tiere sind sogar noch heimlicher: Käfer, Wanzen, Spinnen, kleine Falter oder deren Raupen. Sie alle profitieren davon, wenn ihr den Rasen nicht mäht – weil sie Nahrung finden, Deckung, Schatten und Feuchtigkeit. Und wenn die da sind, kommen auch die, die von ihnen leben: Vögel, Igel, Spitzmäuse.
Artenvielfalt schön und gut – aber was habe ich persönlich eigentlich davon?
Studien zeigen: Wer mehr Tiere um sich herum hat, Vögel, Schmetterlinge, Hummeln hört und sieht, dem geht es besser. Ihr bekommt eine Grünfläche, die summt und zwitschert. Die sich verändert. AUSSERDEM: Das Grün wird mit jedem Zentimeter mehr robuster – gegen Hitze, gegen Starkregen. Längere Halme sammeln Tau, das Bodenleben hat ein gutes Dach über dem Kopf und kann die Erde durchlüften; und so auch Wasser besser versickern lassen, sollte sehr, sehr viel kommen.
Wenn ich im Juni dann doch wieder alles mähe – wozu war dann der Mähfreie Mai gut?
Viele Pflanzen haben sich dann vielleicht schon vermehrt, die Insekten konnten Nahrung finden, und ihr habt den Kreislauf einmal durchlaufen lassen. Noch besser ist es natürlich, wenn ihr nicht alles auf einmal mäht, sondern abschnittsweise. Oder kleine Inseln stehen lasst. Das nennt man Patchworkgärtnern – und das funktioniert auch für den Rasen. Aber selbst wenn ihr im Juni ganz klassisch alles runterschneidet: Ihr habt mehr getan als viele andere. Und die Pflanzen und Tiere danken es euch.
Bei mir ist einfach nur ein Gräser-Dschungel entstanden. Was habe ich falsch gemacht?
Wahrscheinlich nichts. Es ist ein typisches Bild nach dem Mähfreien Mai: Viel Gras, wenig Blume. Das liegt an der Vorgeschichte eures Rasens. Wenn der Boden viele Jahre gedüngt wurde, ist er fett – und fette Böden fördern Gräser. Blumen hingegen mögen es eher mager. Und trotzdem: Auch ein Gräsermeer ist wertvoll. Viele Tagfalter wie das Große Ochsenauge legen ihre Eier an Gräsern ab. Die Samen sind Futter für Finken, Sperlinge und viele andere Vögel. Und zwischen den Halmen wohnen Wanzen, Zikaden, Spinnen, Käfer. Die Halme bilden Struktur und Schatten, sammeln Tau und bieten Lebensraum für Insekten und Kleintiere. Eine Wiese besteht eben nicht nur aus Blumen. Und wer unbedingt mehr Blüten möchte, kann Schritt für Schritt nachhelfen.
Wenn ich beim Mähfreien Mai mitmache – bekomme ich also nicht automatisch eine Blumenwiese?
Leider nein. Eine richtige Blumenwiese ist eine komplexe Lebensgemeinschaft, die nicht nur aus Samen besteht. Sie braucht bestimmte Standortbedingungen, passende Pflege, und vor allem Zeit. Was ihr mit dem Mähfreien Mai macht, ist ein erster, wichtiger Schritt – ihr gebt dem Boden und den Pflanzen Raum, sich zu zeigen. Aber für eine echte Wiese braucht es oft mehr: magere Erde, die richtige Saat, und Geduld.
Ich will gerne so weitermachen. Wie mähe ich denn jetzt – und muss ich überhaupt mähen?
Müssen müsst ihr nicht. Aber eine Wiese ist ja eigentlich mal entstanden als Kooperation aus Pflanzen und Grasfressern. Wenn ihr also keine Schafe habt oder was anderes, dann müsst ihr selbst ran. Aber nicht alles auf einmal und nicht zu oft. Mähen ist wichtig, damit die Pflanzen zur Blüte kommen, aber nicht alles überwuchert wird. Der Trick liegt im Patchwork: Lasst kleine Flächen stehen, wechselt die Mahdzeiten, mal so, mal so. Jedes Wochenende ein bisschen, lasst Inseln stehen, mäht Muster rein. Achtet auf Vielfalt. Mäht möglichst hoch, mit Balkenmäher oder Sense, oder schneidet mit der Hand nach. Das Schnittgut solltet ihr abräumen, sonst düngt es den Boden – und dann gewinnen wieder die Gräser. Wenn ihr regelmäßig mäht, aber nicht zu tief und nicht zu oft, habt ihr einen schönen Mittelweg – zwischen Blumenwiese und benutzbarem Garten.
Wie soll ich durch diesen Dschungel mit dem Rasenmäher durchkommen?
Wenn euer Rasenmäher es nicht mehr schafft, versucht es mit einem Balkenmäher, einer Sense oder einem Freischneider. Stückchenweise, erstmal die Länge kappen und dann den nächsten Schnitt. Wichtig ist, dass ihr möglichst hoch schneidet – acht bis zehn Zentimeter sollten stehenbleiben. Dann schadet ihr den Pflanzen nicht und helft vielen Insekten, die im Boden leben. Ein paar Bahnen, ein Stück pro Tag.
Wo sollen denn dann die Kinder spielen? Oder der Hund?
Dass man eine blühende Rasenfläche nicht betreten darf, stimmt nicht. In der Tat stehen die meisten natürlichen Blumenwiesen, die es noch gibt, unter Naturschutz und sollten streng geschont werden – weil es ja nur noch so wenige gibt; vielfältiges Grünland ist hierzulande einer der am meisten bedrohten Lebensräume. Aber eure Grünfläche steht nicht unter Naturschutz. Die könnt ihr benutzen wie ihr wollt. Wenn es an manchen Stellen dann ein bisschen ramponiert ist, wächst eben was neues.
Aber was ist mit Zecken?
Diese Frage höre ich oft – und ja, sie ist berechtigt. Zecken gibt es, und sie übertragen blöd Krankheiten. Aber es gibt sie nicht nur in langen Wiesen, sondern auch im Park, im Stadtgrün, unter Hecken und sogar im eigenen Garten, ganz egal wie kurz der Rasen ist. Entscheidend ist also nicht, ob ihr im Mai nicht gemäht habt – sondern wie ihr mit dem Risiko umgeht. Am besten hilft lange Kleidung, Hosenbeine ggf. in die Socken stecken. Und für Hund, Kind, euch selbst gilt: Nach dem Gartentag: Kleidung wechseln, nach Zecken absuchen. Solange die Zecke sich noch nicht festgesetzt hat, kann auch nichts passieren.
Ich möchte ABER eine richtige Blumenwiese – kann das klappen, und wenn ja: wie?
Ja, das kann klappen – aber es braucht einen Plan. Der Boden muss möglichst mager sein, die Grasnarbe oft entfernt, das richtige Saatgut gewählt. Besonders wichtig: gebietsheimische Arten. Je besser die Pflanzen zu eurem Boden und Klima passen, desto größer die Chance, dass etwas wächst. Und dann: nicht zu viel erwarten. Eine Wiese entwickelt sich über Jahre. Wie gesagt, entsteht sie nicht nur durch Pflanzen, sondern auch durch Insekten und andere Tiere. Die werden auch mit dem teuersten Saatgut nicht mitgeliefert.
Okay. Das ist mir zu kompliziert. Geht es auch eine Nummer kleiner?
Jede Menge Arbeit, die Grasnarbe entfernen, um eine Wiese anzulegen? Das ist zu viel? Kann ich gut verstehen. Vielleicht ist dann eine sogenannte Pflegeumstellung euer Ding. Dafür müsst ihr nicht mehr machen, sondern weniger. Erstens: Nicht mehr düngen. Denn Dünger mögen nur die paar Rasengräser, es lässt sie besonders gut wachsen. All die anderen Pflanzen werden verdrängt. Da diese aber weit besser mit Hitze, Trockenheit und starken Regenfällen klarkommen, müssen die Rasengräser auf ihre exklusive Förderung in Zukunft verzichten. So bekommen die anderen Pflanzen mehr Platz. Zweitens: Kein »Unkraut« jäten oder vergiften, Moos nicht mehr entfernen, nicht mehr vertikutieren. Drittens: Nicht mehr so niedrig mähen wie sonst, mindestens 3 cm Wuchshöhe sollte den Pflanzen bleiben; so wird auch ihre Mitte nicht zerstört, aus der sie dann schon bald wieder neu blühen können. Und nicht so oft mähen. Viertens: Rasen nicht mehr bewässern. Vertrocknete Stellen sind neue Möglichkeiten für neue und andere Pflanzen. Bis etwas wächst, nisten in der sandigen Lücke vielleicht Wildbienen. Größere Lücken und auch Maulwurfshaufen könnt ihr mit Blumenwiesen-Saatgutmischungen oder mit Samen von Klee, Labkraut, Margeriten oder Flockenblumen einsäen.
Hallo Sigrid, vielen Dank für die Tipps. Ich lasse schon seit Jahren wachsen und überlege immer noch jedes mal wann ich denn jetzt mal mähe. Da bei uns viele Haussperlinge, die ja gerne Grassamen futtern, vorkommen, lasse ich immer sehr lange stehen. Wenn dann, wie in den letzten Jahren häufig, wieder so eine lange Trockenperiode kommt, vertrocknet fast alles. Dann muss man fast nichts mehr schneiden, sondern kratzt das „Heu“ dann einfach von der Wiese. Einfacher geht es doch nicht, oder?
Ich habe eine Frage zur Mäusegerste. Wird die zum Problem, wenn man sie reifen lässt? Angeblich bohren sich die Samen ins Fell und die Tiere leiden dann.
Liebe Grüße
Frank
Lieber Frank, das klingt wunderbar – nach einem richtig gut eingespielten Miteinander mit der Natur! Haussperlinge, Heu zum Abkratzen, Trockenphasen entspannt aushalten. Und ja: einfacher und artenreicher geht’s wirklich kaum.
Zur Mäusegerste: Die Sorge ist nicht ganz unbegründet – ihre spitzen Grannen können sich bei Hunden oder Katzen in Ohren oder Pfoten verhaken. Gleichzeitig ist sie ökologisch durchaus wertvoll: Für Körnerfresser zum Beispiel. Wenn sie überhandnimmt, würde ich sie vor der Samenreife abschnittsweise mähen oder einzelne Büschel herausnehmen – so bleibt genug für die Tierwelt, ohne dass es für Haustiere gefährlich wird.
Ein richtig spannender Beitrag – ich finde es so wichtig, dass wir auch nach dem „mähfreien Mai“ dranbleiben und unsere Gärten oder Balkone bewusster gestalten.
Man merkt oft erst beim zweiten Hinschauen, wie viel wir schon mit kleinen Veränderungen für Insekten & Co tun können. Danke für die Denkanstöße – da nehme ich definitiv was für meinen Alltag mit!