Spinnen sind Freundinnen
Spinnen sind keine Insekten - aber unglaublich wichtige Tiere im Garten und in der Natur.
Eine Spinne im taufunkelnden Netz ist mehr als ein stimmungsvolles Fotomotiv, sondern eine der Strippenzieherinnen im unsichtbaren Netz unseres Gartens. Ohne diese Tiere säe die Natur anders aus. Grund genug, den oft unbeliebten Tieren ein Loblied zu singen.
Spinnennetze im Sonnenlicht, funkelnde Tautropfen, überzuckert von Raureif. Kaum ein Anblick im Garten ist ein so stimmungsvolles Fotomotiv. Dabei ist das Netz keine Deko, sondern knallhart als Todesfalle konzipiert. Und die Besitzerinnen der Netze sind wichtige Strippenzieherinnen im unsichtbaren Netzwerk der Natur und unseres Gartens.
Spinnen haben in der Mythologie eine wichtige Rolle
In alten Geschichten sind Spinnen weise Frauen, die Weberinnen der Zeit, der Schicksalsfäden. Modern betrachtet, könnte man sie auch als Überfrauen und Übermütter bezeichnen, die erst ihren Mann verspeisen, nachdem der seine Schuldigkeit getan hat, und sich dann noch von ihren Kindern vor lauter Fürsorge auffressen lassen, um deren Start ins Leben so gut wie möglich zu gestalten. Vielleicht ist das der Grund, warum Spinnen in unseren patriarchalen Zeiten ein so schlechtes Image haben? Das ist natürlich nur eine Theorie, aber sie zu erzählen, belebt jede zähe Gender-Diskussion. Einfach mal ausprobieren – und anschließend dann das Thema wieder auf den Garten und seine Artenvielfalt lenken.
Sehr spannend an Spinnen ist zum Beispiel ihr Insektenhunger. Alle Spinnen auf der Welt fressen im Jahr zusammen zwischen 400 und 800 Millionen Tonnen Insekten und andere Kleinsttiere, eine einzige Kreuzspinne von noch nicht mal einem Gramm rund knapp 20 Gramm Insekten pro Saison. Hummeln, Bienen, Fliegen, Schwebfliegen, Libellen, Schmetterlinge und Heuschrecken zählen zu ihrer Beute – und Wespen. Auch wer Spinnen nicht mag: Rechnet das ruhig mal in Wespen um, die dann weniger beim Pflaumenkuchenessen stören.
In meinem Buch „Nahrungsnetze für Artenvielfalt“ könnt ihr das ganz ausführlich nachlesen.
Nisthilfen für Spinnen – das geht
Wer gezielt Spinnen im Garten fördern möchte, sollte ihnen Wohnraum anbieten: Stauden, dichte Kräuter und kleine Sträucher, Steinhaufen und Totholzstücke mit loser Rinde zum Beispiel. Dort finden die verschiedensten Arten verstreckte Plätzchen und können direkt vor ihrer Haustür auf die Jagd gehen. Spinnen bauen die Netze gerne über Eck, deswegen sind Zimmerecken auch so beliebt. Im Garten spannen sie es oft zwischen zwei oder mehr Äste oder Blumenstängel, drei Anknüpfungspunkte brauchen sie, damit es stabil hängt und nicht bei jedem Windhauch flattert. Je nach Größe der Spinne muss die Vegetation also recht stabil sein. Eine Kreuzspinne kann ihr Netz nicht an Gras oder filigranen Blümchen aufhängen. Gartenkreuzspinnen brauchen Stauden, Hecken, Himbeerruten sind dafür besser, andere Arten wie die Spaltenkreuzspinne spannen die Fäden vor kleine Höhlen im Mauerwerk oder alten Bäumen. Und dann brauchen alle Spinnen belebte Natur, Insekten auf Futtersuche, die sie jagen, fangen und fressen können.
Der Kreislauf des Lebens
Irgendwann im Sommer sind sie groß genug, sich zu paaren. Dann wird das Weibchen groß und größer und dick und dicker. Bis es im Herbst Eier legt, eine gelblichen Ballen eingesponnen in einen seidigen Kokon, den sie fest verzurrt an eine geschützte Stelle knüpft. Noch vor dem Winter schlüpfen die Jungen, die Spinnenmutter ist dann einfach weg, an Schwäche gestorben, aufgefressen, wer weiß.. Die Kleinen überwintern gemeinsam und dichtgedrängt im weichen Kokon. Wenn es im Frühling dann warm wird, kriechen sie heraus, ein kleines wuseliges Gewimmel minigroßer Kreuzspinnenkindern. Sie futtern anfangs hauptsächlich Blattläuse, weil sie selber noch so klein sind und ihre Spinnfäden so fein, dass da kein Tier drin hängen bleibt, noch nicht mal eine Mücke. Aber Übung macht den Meister und irgendwann zaubern auch die Kleinen so tolle Radnetze zwischen die Gartenstauden.
Ein entfernte Verwandte ist die Wespenspinne. Sie heißen so wegen ihrer Färbung, giftig sind sie nur für die Beute. Wespenspinnen mögen sonnige Flächen mit niedriger Vegetation und hoher Heuschreckendichte, eine leicht verdorrte Blumenwiese ist ein perfekter Lebensraum. Es heißt, sie seien Klimawandelgewinner – jedenfalls kann man sie in den letzten warmen und trockenen Jahren häufiger beobachten. Spinnenfans freut das, sie sind schön anzusehen, ebenso ihre Netze, die sie – warum auch immer – jeweils mit einer filigranen Zickzacklinie verzieren.
Andere Arten, andere Netze
Baldachinspinnen kennt sicherlich ebenfalls jeder, zumindest ihre Netze: Wie kleine Dächer wölben sie sich über Gräser und Kleinsträucher, wunderschön im Morgenlicht. Die Spinnen selbst sind sehr klein, man sieht sie kaum, nur wenige Millimeter. Und es gibt Trichterspinnen, Labyrinthspinnen, Kugelspinnen, die ihre Netze in mehreren locker-fluffigen Decken und Schichten übereinander weben. Die sehr filigran aussehenden Zitterspinnen haben ihren Namen von ihrer Tarnmethode: droht Gefahr, schwingen sie sich nämlich wie zitternd in ihrem Netz schnell hin und her, so schnell, dass dem potentiellen Angreifer das Ziel vor Augen verschwimmt. Und er hoffentlich verwirrt aufgibt. Die Zitterspinnen selber sind nicht zimperlich bei der Jagd. Ihr Netz sieht zwar ebenfalls etwas zittrig aus, dünn und unordentlich, aber damit fangen sie effektiv Fliegen, Mücken, Asseln und andere Insekten; und auch mal eine Spinne.
Spinnen zählen nämlich biologisch korrekt nicht zu den Insekten, sondern sie sind Spinnentiere. Allen gemeinsam ist, dass sie acht Beine haben, statt sechs wie Insekten; und nur zwei Körperteile, nicht drei.
Viele Spinnen jagen auch ohne Netz. Springspinnen zum Beispiel. Sie schleichen sich langsam an ihre Beute – Fliegen, Käfer, Mücken – heran und springen blitzschnell los, mit einem Spinnfaden als Sicherheitsleine, falls mal ein Sprung daneben gehen sollte. Oder die Veränderliche Krabbenspinne, die ist recht häufig, lebt auf Blumen und Stauden und wird leicht übersehen. Das ist Absicht, denn sie passt sich farblich ihrer Wohnblume an, um leichter fette Beute machen zu können, wenn sich Falter oder Bienen, Hummeln, Hornissen und Tanzfliegen auf der Blüte zum Trinken niederlassen. Man könnte nun denken, wenn die Spinne die Bestäuber fängt oder verschreckt, werden die Blüten nicht bestäubt und das ist schlecht für den Fruchterfolg und die Vermehrung der Pflanze. Aber die Spinnen fressen nicht nur Bestäuber, sondern eben auch Raupen und Falter. Zu viele der Falter würden vielleicht zu viele Eier legen, daraus würden zu viele Raupen schlüpfen, die zu viel Kräuter und Blumen wegfressen würden, die dann nicht blühen und fruchten könnte und im nächsten Jahr nur sehr spärlich nachwachsen würde, wer weiß?
Fressen und Gefressen werden
Dass die Spinnen nicht überhand nehmen, dafür hat die Natur auch gesorgt. Spinnen fressen nicht nur, sondern produzieren auch Nahrung für andere Arten: Sie haben erstens eine gesegnete Verdauung und produzieren kleine flüssige Dungkleckse wie am Fließband, für manche Mini-Mikroben in genau der richtigen Konsistenz und Portionsgröße. Und ihr weicher, eiweißhaltiger Körper ist ein Leckerbissen für viele Tiere. Vor allem für Vögel: Warum den kleinen Küken sperrige Chitinpanzer und splittrige Libellenflügel in den Schlund stopfen, wenn man doch auch eine fette, weiche Spinne reinflutschen lassen kann? Meisen und Zaunkönige jedenfalls füttern ihre Brut gerne mit kleinen weichen Jungspinnen, größere Vögel nehmen auch größere Exemplare. Auch Fledermausarten pflücken die eiweißhaltigen Tierchen im Tiefflug von den Blumen und aus den Netzen. Erdkröten und Spitzmäuse fressen ebenfalls Spinnen; und die mit Spinnen gut gefütterten Tiere sind wiederum fette Beute für Greifvögel. Dicken Kröten werden zudem vom Reiher oder von der Ringelnatter verspeist.
Spinnen sind als weit mehr als wahlweise lästig oder ein schönes Fotomotiv. Sie sind enorm wichtig für den Kreislauf der Natur und sorgen dafür, dass das Rad des Lebens in Schwung bleibt.
Spinnentiere im Haus
Anders als draußen im morgensonnigen Garten empfinden wir Spinnen und ihre Netze im Haus meist nicht als stimmungsvoll und fotowürdig. Aber auch Hausspinnen kann man wenn schon nicht mögen, wenigstens lassen. Und hat Vorteile davon: Spinnen sind prima Mückenfänger; auch lästige Stubenfliegen hat man dann kaum; und die Wolken von Fruchtfliegen verfangen sich in den Netzen ausserdem. Dass die Spinnen überhand nehmen, wenn man sie lässt, ist ein Trugschluss. Erstens gibt es pro Haushalt eine bestimmte Menge guter Netz- und Nistplätze. Und die sind und bleiben besetzt. Denn meist ist die Ecke schnell wieder mit einem neuen Netz besetzt, kurz nach dem man es entfernt hat. Es werden nicht mehr und nicht weniger. Wer eine Spinne unbedingt loswerden will, sollte das tun, ohne sie einzusaugen oder im Taschentuch zu zerquetschen! Stülpen Sie einfach ein Glas über sie und schieben Sie ein Stück Papier von unten als Deckel darunter. Und dann raus mit dem Tier. Vielleicht findet sie unter der losen Rinde abgestorbener Bäume oder unter Moosen und Steinen einen neuen Unterschlupf. Für viele Hausspinnen dürfte es je nach Jahreszeit allerdings das Todesurteil sein, sie nach draußen zu befördern. Aber dann kann ihr Körper als organischer Material noch anderen Arten als Nahrung dienen.