Wohnraum für ALLE Insekten
Wildbienen-„Hotels“ zu bauen und aufzustellen ist gut gemeint, aber oft nicht gut gemacht. Für die anvisierte Zielgruppe „Wildbienen“ sind viele gar nicht mal so attraktiv
Außerdem gibt nicht nur Wildbienen. Viele, viele andere Insektenarten und andere Kriech- und Krabbeltiere brauchen dringend Brutplätze und Lebensraum – damit sie überleben. Und damit andere Tiere wie Igel oder Vögel sich von ihnen ernähren können.

Weit mehr als die Hälfte aller Tierarten auf der Erde sind Insekten, Millionen an Arten bevölkern unsere Erde: Libellen, Ohrenkneifer, Heuschrecken, Wanzen, Schmetterlinge, Läuse, Wespen, Käfer … Zählt man nicht nur die aus biologischer Sicht echten Insekten dazu, sondern alles was kreucht und fleucht, Schnecken, Würmer, Spinnen, sind es noch weit mehr. Natürlich zählen auch die beliebten Bienen dazu.
Aber nicht nur Bienen bestäuben unsere Pflanzen, auch Fliegen und Schwebfliegen, Käfer, Hummeln und Schmetterlinge; nicht nur das Bestäuben ist der Job der Insekten, sie sind auch wichtig, um tote Pflanzen und Tiere abzubauen, zusammen mit Pilzen und Bakterien. Und sich so darum zu kümmern, dass die enthaltenen Nährstoffe im Boden wieder neu verfügbar sind. All das organische Material verschwindet ja nicht alleine. Insekten wiederum sind ebenfalls Nahrung für viele Tiere, ohne Insekten keine Gartenvögel, keine Amphibien, keine Spitzmäuschen und Igel.
Insekten zu schützen und zu fördern ist für uns alle lebenswichtig, denn ihre Lebensräume werden weniger und die Lebensbedingungen immer schlechter. Das weiß mittlerweile jedes Kita-Kind, wurde doch bestimmt schon in einer Projektwoche oder vielleicht auf einem Kindergeburtstag ein Insektenhotel gebastelt. Ideen und Bauanleitungen gibt es mittlerweile zuhauf, eins witziger, origineller, stylisher als das andere.
Leider sind solche Bastelprojekte oft nur gut gemeint. Nicht gut gemacht. Nämlich so gut, dass sie auch besiedelt werden.
Zum Beispiel werden oft haufenweise rote Lochziegel verwendet, sie sind preiswert und fast jeder hat im Schuppen ein paar übrig gebliebene Exemplare liegen. Allerdings: Wildbienen bewohnen sie gar nicht gerne. Allenfalls große Mauerbienenarten wie die Rote Mauerbiene nisten darin, manchmal. Vielen anderen – kleineren – Wildbienenarten sind die Löcher schlicht zu groß. Wenn überhaupt Ziegel, dann bitte Strangfalzziegel, auch Biberschwanzziegel genannt. Das ist eine Art Dachpfanne, mit parallelen Hohlkammern, die sich durch die flache Längsachse des Ziegels ziehen und vorne und hinten in einem runden Loch münden.
Die meiste Wildbienenarten finden allerdings Holz viel besser. Aber auch hier: Achtung.
Wildbienen besiedeln in der Natur Fraßgänge von Käfern – die ihre Gänge in der Regel seitlich durch den Stamm bohren, also quer zum Stirnholz. Stirnholz liegt in der Natur selten frei. Baumscheiben mit Bohrlöchern, oft bunt bemalt von kleinen Kindern und dann an den Gartenzaun gehängt, werden deshalb oft nicht als Wohnung erkannt (oder auch wieder nur von der Mauerbiene). Auch auf das richtige Holz kommt es an. Hartholz sollte es sein: Obstbäume, Buche, Esche. Weichholz fasert zu stark und Nadelholz harzt. Abgelagert sollte es außerdem sein, frisches Holz trocknet und reißt dabei auf, bildet Splitter, an denen sich sie Tierchen die Flügel aufreißen können. Sowieso: alles muss schön glatt gebohrt sein, das Einflugloch am besten noch schmirgeln. Und nicht zu kurz, denn pro Röhre legen die Bienen zehn bis dreißig Eier hinein, nicht nur eins.
In die Zwischenräume oder in andere Fächer von Insektenhotels werden oft noch Kiefernzapfen gesteckt, Reisigbündel oder Holzwolle, Muscheln, Schneckenhäuser. Das ist nur Deko. Zwar gibt es eine Bienenart, die Schneckenhausmauerbiene, die tatsächlich in Schneckenhäusern ihr Nest baut, allerdings so hochkomplex mit Steinchen, Holz, Gras und Erde hinein und drumherum – und nur wenn das Gehäuse mit der Mündung auf dem Boden liegt. Schneckenhäuser einfach da zu lassen, wo sie liegen, wäre die bessere Variante. Ähnliches gilt für Halme, die oft in Bündeln mit hineingesteckt werden. In der Tat werden dicke Blumenstängel von Disteln, Königskerzen oder Sonnenblumen, Brombeer- und Himbeerruten oder Schilf tatsächlich zum Brüten und Überwintern genutzt. Aber: In der Natur stehen die Halme meist aufrecht und deshalb sollten sie einfach im Beet stehen bleiben. An manchen hängen auch verpuppte Schmetterlingslarven, so gut getarnt, dass sie von einem vertrockneten Blatt kaum zu unterscheiden sind. Und im Wurzelbereich sind Grashüpfer-Eier versteckt.
Weit mehr als die Hälfte der Wildbienenarten nisten übrigens gar nicht in Holz, Stein oder Hotels. Sondern: in losem Sand, zwischen Pflasterfugen zum Beispiel, einige Sandbienenarten tragen das auch im Namen. Hummeln brüten je nach Art gerne in Steinspalten, alten Vogelnestern, Asthöhlen oder Mauselöchern. Auch Florfliegen-Überwinterungsfächer sind in der Regel überflüssig. Florfliegen überwintern ebenfalls viel lieber im Gestrüpp oder im Schuppen.
Wie immer: ein wilder, natürlicher, unordentlicher Garten ist das allerbeste Insektenhotel, vielleicht ergänzt um Totholzstapel, Steinhaufen, Benjeshecke, Sandbeet. Wichtig ist, dass sich alles zumindest in Teilen ein bisschen selbst überlassen bleibt. Viele Insektenarten brüten auch in den Hinterlassenschaften der anderen, die Dungkäfer zum Beispiel. Oder in Aas, wie bestimmte Schwebfliegen oder der Totengräberkäfer.
Ganz ausführlich lest ihr das in meinem Buch „Haufenweise Lebensräume“
Haufen aus Naturmaterialien sind um einiges besser als extra Häuschen für einzelne Tiere. Das kunterbunte Durcheinander von Rinde, Laub, Baumstücke, Äste und Zweigen bietet wie nebenbei und mit einer Portion Zufall Lebensräume, von denen wir gar nicht wissen, dass es überhaupt welche sind. Hier finden sich Plätze für Bienen – und für Tausende andere Arten, die wir Menschen gar nicht kennen, die aber wichtig sind als kleines Rädchen im großen Getriebe des Lebens.